{'de': 'Egoismus'}
Während manche Menschen in Krisensituationen solidarisch handeln, werden andere vor allem eins: egoistisch. Sie hamstern Supermarktregale leer, um ihre Vorratskammern mit Nudeln und Toilettenpapier zu füllen, und verkaufen auf Ebay Atemschutzmasken für mehrere Hundert Euro. Im März 2020 berichten diverse Lokalmedien in Deutschland darüber, dass sogar Desinfektionsmittel und Schutzkleidung aus Krankenhausfluren geklaut wurde. In Berlin trifft es gar die Kinderintensivstation. Und während sich Millionen von Menschen an Ratschläge hielten, Sicherheitsabstand zu anderen Menschen zu wahren und nicht in Cafés oder Clubs zu gehen, bis diese ohnehin ihre Türen schließen mussten, versammelten sich andere zu Corona-Partys. Während Menschen in den USA versuchen, die Verbreitung des Virus einzudämmen und Social Distancing betreiben, feiern Spring Breakers an den Stränden Miamis.
\n\xa0
\nDoch warum ist das so? Manche Menschen mögen vielleicht uninformiert sein, doch sicherlich trifft das nicht auf alle zu. Sie wiegen sich in der vermeintlichen Gewissheit: "Mit wird schon nichts passieren." Abstriche zu machen, das fällt Menschen tendenziell sowieso schwer, wenn die Gefahr keine unmittelbare oder sichtbare ist. Der Gedanke, andere Menschen, die zur Risikogruppe gehören, zu schützen, mag für viele nicht so naheliegend sein, da sie nur wenige dieser Menschen kennen. Den Gefährdeten fehlt das Gesicht. Der Philosoph Peter Singer hat ein Gedankenexperiment entwickelt, dass diesen Mechanismus anschaulich macht: Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch den Park und sehen, wie ein Kind in einem Teich zu ertrinken droht. Ohne Zögern springen Sie in den Teich und retten das Kind – auch wenn Sie dabei ihr neues, teures Hemd ruinieren. Doch würden Sie das gleiche Geld, das Sie für das Hemd gezahlt haben, ausgeben, um ein Kind am anderen Ende der Welt zu retten? Den meisten Menschen fehlt hierfür das Gesicht des Kindes. Das ist einer der Gründe, warum Organisationen aus der Entwicklungszusammenarbeit häufig Plakate mit Kindergesichtern zeigen: Sie geben den Gefährdeten eine erkennbare Identität und den Betrachtern eine unmittelbare Vorstellung von der Gefahr.
\n\xa0
\nDoch auch Leute, die sich an die Abstandsregelungen halten, die Zuhause bleiben, um niemanden versehentlich zu infizieren, können Egoismus zeigen. Als Anfang März 2020 viele Menschen die Selbstisolation wählten, verbreiteten sich auf Social Media Fotos von Menschen, die im Park feiern, Freunde treffen, Bierchen trinken. Es entstand ein öffentlicher Pranger. Immer mehr Menschen forderten eine Ausgangssperre. Für den Journalisten Sascha Lobo\xa0 eine Form privilegierter Unerbitterlichkeit. Im Spiegel kommentierte er Mitte März:\xa0
\n"Zur Coronakrise quillt das mangelnde Bewusstsein [für Klassismus] aus Abiturientendeutschland heraus. Erschreckend, mit welcher Unerbittlichkeit sofortige "Ausgangssperren" gefordert werden, von Leuten, die (...) wenig Gespür für die eigenen Privilegien haben. Im klopapiergefüllten Neun-Zimmer-Stuckaltbau lässt sich eine Ausgangssperre viel leichter ertragen als alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern in der Einzimmerwohnung.\xa0
\n\xa0
\nWenn ich freiwillig nicht mehr rausgehe, sollen es die anderen gefälligst auch nicht tun! Außer natürlich zur Arbeit (...). Die Verkäuferin im Einzelhandel hat gefälligst acht Stunden unterbezahlt an der Kasse zu sitzen und sich von barschen Kunden anhusten zu lassen - aber mit ihrem Kind eine halbe Stunde im Park zu verbringen, damit sie nicht durchdreht, das ist unverantwortlich! Ruft man ihr mit dem Lieferprosecco in der Hand in der Netflix-Pause vom Balkon aus zu, Hashtag #staythefuckhome."
'}Christian Drosten, der Leiter der Virologie in der Berliner Charité, im NDR Podcast “Coronavirus Update” darüber, warum Egoismus in der Corona-Krise schadet.
\n\xa0
\nIm Guardian fragt Gaby Hinsliff: Ist Großbritannien zu egoistisch geworden, um mit dem Coronavirus umgehen zu können?
'}