Flüchtlingskrise
60 Millionen Menschen waren nach Angaben der UNHCR 2015 auf der Flucht — etwa eine Million davon kam nach Europa. Vollkommen unvorbereitet für diesen Andrang von Menschen wurde aus dem Flüchtlingsstrom die Flüchtlingskrise und der Umgang damit zur politischen Zerreißprobe für die EU. Die Öffnung und Schließung von Grenzen, Grenzkontrollen, eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten: So sehr die EU-Kommission um eine gemeinsame Linie bemüht ist, so liegen die Interessen der EU-Mitgliedsstaaten noch zu sehr auseinander.
Im September 2015 beschloss die EU eine Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen in Italien und Griechenland, um diese Länder zu entlasten. Tatsächlich umverteilt wurden bis Juli 2016 nur 2.800 Menschen. Vor allem Länder wie die Slowakei und Ungarn sträuben sich dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen. Weil sie geltendes EU-Recht in Bezug auf den Umgang mit Flüchtlingen nicht einhalten, laufen derzeit 72 Verfahren gegen verschiedene Mitgliedstaaten.
Pro Flüchtling erhält ein Mitgliedstaat 6.000 Euro finanzielle Unterstützung von der EU-Kommission. Doch scheinbar reicht die finanzielle Unterstützung nicht aus, um Staaten zur Solidarität zu überzeugen: Im April 2016 legte die EU Vorschläge vor, das europäische Asylrecht zu reformieren. Die Vorschläge enthalten direkt einen Schlüssel zur Weiterverteilung, sobald der Zustrom an Flüchtlingen zu groß wird. Mitgliedstaaten, die sich weigern, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen, erwartet eine Geldstrafe von 250.000 Euro pro Flüchtling. Schon bei der Vorlage hatten einige Mitgliedstaaten wie die Tschechische Republik und Ungarn signalisiert, sich gegen den Vorschlag auszusprechen.
Um die illegale Einwanderung zu stoppen und die Arbeit von Schleppern zu unterbinden, schloss die EU im November 2015 mit der Türkei einen Flüchtlingspakt: Jeder illegal auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtling werde zurück in die Türkei gebracht, im Gegenzug darf ein syrischen Bürgerkriegsflüchtling von der Türkei legal in die EU einreisen. 72.000 Menschen könnten auf diese Weise legal Zuflucht in der EU finden.
Während die EU und auch die deutsche Bundesregierung von diesem Plan überzeugt sind, gibt es ebenfalls laute Kritik: Es sei eine große finanzielle und organisatorische Aufgabe, die die EU mit dem Deal an die Türkei stelle — und es fehle eine sachliche Analyse, ob und wie die Türkei das überhaupt stemmen wolle. Gleichzeitig wachse in der türkischen Bevölkerung der Vorbehalt gegenüber syrischen Flüchtlingen, was die Umsetzung politischer Maßnahmen sicher nicht erleichtere, argumentiert die Stiftung Wissenschaft und Politik. Außerdem folge die Türkei bei der Bearbeitung der Asylanträgen von beispielsweise Afghanen, Irakern und Iranern nicht den rechtstaatlichen Regeln, kritisiert die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.
Christian Odendahl vom CER über Krisen: https://app.kontextmaps.com/client/derkontext/476/media/default/04-Odendahl-02.mp4.mp4
Christian Odendahl vom CER über politische und finanzielle Hilfen für Flüchtlingsherkunftsländer: https://app.kontextmaps.com/client/derkontext/476/media/default/04-Odendahl-10.mp4.mp4
Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik zum Flüchtlingspakt mit der Türkei
Die FAZ berichten über die Vorschlägen der EU Kommission, wie das Asylsystem reformiert werden könnte