Bartek Pytlas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Systeme und Europäische Integration an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Mit Der Kontext sprach er darüber, warum der Populismus salonfähig geworden ist, was Krisen damit zu tun haben und warum Parteien die Interessen der Bevölkerung heute nicht mehr vertreten können.
Populismus ist wie ein betrunkener Gast auf einer Cocktailparty
Was salonfähige Aussagen mit Krisen und den Interessen der Bevölkerung zu tun haben
- Der Kontext: Wie definiert man Populismus?
Bartek Pytlas: Populismus wird auch als Chamäleon bezeichnet. Ein Phänomen, das sich je nach Kontext und Zeit wandelt. Das kommt vor allem daher, dass Populismus ein Rechtfertigungsnarrativ zu politischen Aussagen ist. Wenn ich zum Beispiel ein Thema von einer Position vertrete, dann untermauere ich sie mit einem passenden populistischen Narrativ. Wie man das macht? Wir wissen, dass die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen unterteilt ist. Das heißt auch, dass in ihr bestimmte Konflikte auftreten: ökonomische Konflikte, kulturell bedingte Konflikte. Diese Konfliktlinien sind sehr divers. Deswegen haben wir auch mehrere Parteien, die intern unterschiedliche Interessen vertreten, konservativ – liberal oder auch ökonomisch links und rechts. Populisten sagen jedoch: „Diese Konflikte sind nicht wichtig“. Populismus sagt: „Es gibt nur einen Konflikt – den zwischen dem „reinen Volk“ und der „bösen Elite“. Der zweite Punkt ist, dass Populisten behaupten, nur sie hätten den Anspruch, das Volk zu vertreten. Die anderen Parteien sind nicht dazu legitimiert, die Bevölkerung, DAS Volk, zu vertreten. Das sind die zwei Kernmerkmale von Populismus.
Ist Populismus ein neues Phänomen?
Das gibt es schon seit einiger Zeit. Wenn man in Zeitschriften aus den 90ern oder auch führer recherchiert, findet man immer wieder Titel wie „Zeitalter des Populismus“, „Rückkehr des Populismus“. In dem Sinne ist es nichts Neues. Die ersten Parteien, die sich populistisch genannt haben, entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Beispielsweise in den USA, aber auch in Russland, im Zarenreich. Seitdem hat sich Populismus natürlich entwickelt und sich dem jeweiligen Kontext angepasst. Was sich jedoch in Europa geändert hat, ist, dass Populismus jetzt viel salonfähiger geworden ist und viel mehr eine Herausforderung für die liberale Demokratie darstellt.
Welche Faktoren führen dazu, dass es beispielsweise in Europa jetzt Auftrieb für populistische Strömungen gibt?
Das wird viel diskutiert. Man versucht, sich unterschiedliche Faktoren anzuschauen. Insbesondere natürlich die Krisen. In Krisenzeiten radikalisiert sich die Gesellschaft. Man hat aber festgestellt, dass es keine Verbindung zwischen Krisen und dem Erstarken von Populismus gibt. Populismus kann zu Zeiten der Rezession auftreten, aber genauso zu Zeiten von starkem Wachstum. Was Korruption angeht, so ist dies ein zweiter Ansatz. Ein Muster konnte da jedoch auch nicht festgestellt werden. Gleiches gilt im Bezug auf das politische System.
Also gibt es gar keine Parameter?
Letztendlich ist es von zwei Faktoren abhängig, wie Populismus entsteht und erstarkt. Populisten müssen fähig sein, eine Konfliktlinie zu kreieren. Dann müssen sie die Bevölkerung oder Teile der Bevölkerung überzeugen, dass diese Konfliktlinie tatsächlich relevant ist. Das heißt, Populisten erschaffen Krisen. Sie erschaffen Feindbilder. Sie erschaffen Stereotypisierung. Sie nutzen das dann aus, um an die politischen Machtpositionen zu kommen. Ein wichtiger Faktor ist auch, was die anderen Parteien machen. Populisten agieren ja nicht im luftleeren Raum. Die Strategien von etablierten Parteien gegen Populismus spielen dabei eine Rolle. Wenn eine etablierte Partei sagt: „Ja, das, was die Populisten behaupten, ist schon richtig und ja, wir sollten auch eine viel restriktivere Migrationspolitik haben“, dann werden diese Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft stärker etabliert. Und wie Jean-Marie LePen gesagt hat: „Da wählt man gleich das Original lieber als die Kopie.“
Unterscheiden sich linkspopulistische Parteien von rechtspopulistischen?
Sie bedienen sich beide der Rechtfertigungslogik der Konfliktlinien. Sie unterscheiden sich darin, an welche Themen sie diese Rechtfertigung anpassen oder was die Vorstellung vom Volk ist. Rechtspopulisten sehen das Volk als eine exklusive nationale ethnische Gemeinschaft. Linkspopulistische Parteien arbeiten viel mit ökonomischen Konzepten und sehen das Volk vor allem als das einfache Volk, als die arbeitende Bevölkerung. Rechtspopulisten agieren da soziokulturell, das heißt, sie versuchen Konflikte auf der kulturellen Ebene zu kreieren, indem sie zum Beispiel ganze Minderheiten pauschal verurteilen und stereotypisieren. Neben den Rechts- und Linkspopulisten gibt es aber auch die sogenannten Zentrumpopulisten wie zum Beispiel Beppe Grillo in Italien mit seiner Fünf- Sterne-Bewegung. Sie sagen, Parteien müssen abgeschafft werden. Parteien, Politik muss ersetzt werden, durch eine Bestimmung durch das Volk. Das ist interessant, weil auf die Links-/Rechtsprogrammatik verzichtet wird und nur die Forderung, die repräsentative Demokratie zu ersetzen, gilt. Da kommen wir zur nächsten Frage: Die der gesellschaftlichen Entwicklung. Populismus ist stark mit der Modernisierung von Gesellschaften verbunden. Das ist vor allem die Ausdifferenzierung von Gesellschaften – sie sind komplexer geworden. Populisten fordern eine Rückkehr zu der Zeit, als Repräsentation durch Parteien, die Vertretung von Interessen, besser gestaltet werden konnte. Das ist ein Idealzustand, den es nie gab. Außerdem ist er in der heutigen Gesellschaft nicht realisierbar. Es ist nicht nur so, dass Parteien die Interessen der Bevölkerung nicht repräsentieren wollen, wie die Populisten behaupten. Sie können es einfach immer weniger, weil wir so divers geworden sind.
Können Populisten Krisen besonders gut nutzen?
Das Gefühl von Krisen ist komplex. Es hängt aber davon ab, ob die etablierte Politik klar kommuniziert, dass die Bekämpfung der makroökonomischen Rezession alle Bevölkerungsgruppen umfasst. Wenn Populisten feststellen, dass eine bestimmte Gruppe unterrepräsentiert wird, dann versuchen sie ein Gefühl zu kreieren, dass sich der Zustand in dieser Gruppe deutlicher verschlechtert hat. Das haben wir zum Beispiel in Amerika bei Donald Trump gesehen. Die subjektive Wahrnehmung von Politik ist stark mit der politischen Einstellung verbunden. Nach der US-Wahl haben Trump-Wähler plötzlich binnen einer Woche festgestellt, dass sich die amerikanische Wirtschaft in eine viel bessere Richtung entwickelt. Das zeigt, dass es vom politischen Angebot abhängt, wie unsere Wahrnehmung von Krisen ist. Das bedeutet aber nicht, dass Rezession und gesellschaftliche Probleme nicht vorhanden sind. Das sind sie. Aber die Populisten versuchen, sie als einen Kampf zwischen Gut und Böse darzustellen. Sie weisen nicht auf die Komplexität der Lösungen hin, sondern sagen: Wir werden die Probleme sofort für euch lösen.
Wird damit eine Sehnsucht nach Einfachheit bedient?
Politik muss immer vereinfachen. Wir sind als Menschen nicht imstande die Komplexität der Welt zu erfassen. Deswegen verallgemeinern wir. Wir denken in kleinen Strukturen. Wir sortieren die Welt. Und deswegen spielt Bildung eine sehr wesentliche Rolle, weil sie uns erlaubt, über diese Vereinfachung zu reflektieren. Das heißt, Kontakt, Erfahrung, auch kultureller Austausch bedingt, dass wir unsere Bilder im Kopf wieder revidieren können, dass wir dieser Vereinfachung der Welt entgegenwirken können. Auch Politik arbeitet vereinfachend. Sonst wäre es überhaupt nicht möglich, Interessen zu repräsentieren. Demokratische Politik ist immer ein Konkurrenzprozess. Die Populisten vereinfachen nicht nur, sondern versprechen auch eine viel schnellere Lösung von Problemen. Bei Trump, aber auch in Ungarn und in Polen sehen wir, dass ganz schnell Änderungen gemacht werden, die jegliche Kontrollmechanismen der Demokratie aushebeln. Es gibt ein Paradox unter der populistischen Wählerschaft. Eigentlich möchte sie repräsentieren, andererseits sehnt sie sich auch nicht nach Repräsentation im Sinne von direkter Demokratie. Nicht sie bestimmen, was passiert, sondern Personen, die angeblich imstande sind, mit starken Maßnahmen ein Ziel schnell umzusetzen. Das ist ein Problem, weil wir Kontrollmechanismen der Demokratie haben, weil wir unterschiedliche Interessen der Gesellschaft haben. Das heißt, die Kontrollmechanismen sind dafür da, die Dominanz eines bestimmten Interesses zu verhindern und Interessen von denjenigen, die jetzt nicht an der Regierung sind, auch zu berücksichtigen.
Sind Populisten also antidemokratisch?
Die neueste Forschung sagt ganz klar, dass Populismus undemokratischer Nichtliberalismus ist. Populismus ist antipluralistisch. In einer Demokratie, egal wie konfliktreich diese ist, vertritt man seine Meinung und die anderen Parteien haben genauso das Recht, Meinungen im verfassungsrechtlichen Rahmen zu vertreten. Demokratische Parteien dürfen unterschiedliche Interessen repräsentieren. Das ist demokratischer Pluralismus. Wenn sich im britischen Parlament die zwei Fraktionen stark streiten, so werden sie sich trotzdem nicht ihr Recht absprechen, ihre Meinung, beziehungsweise die ihrer Wählerschaft, zu repräsentieren. Sie können sich streiten, sie können sagen, sie seien nicht fähig oder ihre Politik sei falsch. Aber sie werden nie sagen: Sie dürfen diese Politik nicht artikulieren, sie sind nicht legitimiert, diese Meinung, die Meinung der Wählerschaft, zu vertreten. Die populistischen Parteien sprechen den anderen dieses Recht ab.
Wie kommunizieren populistische Parteien ihre Ideen?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Die populistische Kommunikation ändert sich gerade auch sehr stark und entwickelt neue Werkzeuge. Die populistischen Parteien arbeiten mit Pauschalisierungen, mit Widersprüchen. Sie benutzen immer häufiger die sogenannten postfaktischen, alternativen Wahrheiten.
Worin unterscheiden sich diese Begriffe von Propaganda oder einfach von dem Versuch, die Bevölkerung zu überzeugen?
Sie versuchen nicht, bestimmte Tatsachen oder Fakten in ein positives oder negatives Licht zu bringen, sondern eine parallele Realität zu erschaffen. In Mittel- und Osteuropa, zum Beispiel in Ungarn, hat die Regierung die Staatsmedien unter Kontrolle. Die Strategie ist, wenn Anti-Regierungsdemonstrationen stattfinden, diese nicht öffentlich zu machen beziehungsweise Bilder so auszuwählen, dass man leere Straßen zeigt und nur vereinzelte Demonstranten. In anderen Medien füllt die Demonstration ganze Plätze. Sie nutzen die Medien auch dazu, ihre Legitimation zur Repräsentation des Volkes zu untermauern und zu sagen: Die Gegenseite ist gar nicht so stark. Der andere Punkt bezieht sich wiederum auf diese einzelne Konfliktdimension. Man spricht davon, dass der Konflikt, der von Populisten konstruiert oder hervorgehoben wird, manichäistisch ist. Das bedeutet, dass der Konflikt eine starke moralische Dimension hat. Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse. Dieser Konflikt wird stark polarisiert. Wir sind die Retter und die anderen die Verräter.
Wie schaffen es Populisten, an der Macht zu bleiben?
Sie können, wie in Ungarn, einfach die demokratischen Kontrollmechanismen außer Gefecht setzen und zum Beispiel anderen Parteien den Wahlkampf erschweren. Die Kontrolle von Staatsmedien ist ebenfalls ein Beispiel. Oder das Wahlrecht wird geändert, wodurch die stärkste Partei im Wahlverfahren noch stärker wird. Das passiert beispielsweise durch Umstellung der Grenzen der Wahlbezirke, wo starke Wahlbezirke für andere Parteien aufgeteilt werden und diese dadurch geschwächt. Auch ist es möglich, dass private Medien, in denen Politiker der Opposition stärker zu Wort kommen, einfach von ihrer Hauptfinanzierungsquelle abgeschirmt werden. Dafür ist eine starke Mehrheit notwendig. Das funktioniert aber auch, wenn Populisten einfach mit zwei Zungen sprechen, indem sie sagen: „Wir haben es geschafft. Wir sind an der Macht. Aber es gibt um uns herum immer noch die alten Netzwerke. Und die hindern uns daran, unsere Versprechen durchzusetzen. Wir müssen daran arbeiten, diese Netzwerke abzubauen, um unsere Wahlversprechen zu erfüllen.“ Parteien, die in Koalitionen regieren, können ähnlich sagen: „Wir wollten es umsetzen, es wurde uns aber nicht erlaubt.“
Wie reagieren etablierte Parteien auf Populisten?
Das ist eines der größeren Probleme. Die etablierten Parteien waren sehr oft zu langsam in ihrer Reaktion. Am Anfang, als die populistischen Parteien erschienen, hat man ihre Rhetorik ignoriert und ist auf diese Herausforderung nicht eingegangen. Das hat auch damit zu tun, dass man geglaubt hat, dass sich die Gesellschaft in Krisenzeiten radikalisiert und dass diese Parteien wieder verschwinden sobald sich die Wirtschaft beruhigt hat. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass dies nicht der Fall ist.
Was haben die etablierten Parteien dann gemacht?
Daraufhin haben sie versucht, diese Rhetorik zu übernehmen. Auch in der Flüchtlingskrise hat man es seitens einiger Parteien in Europa gesehen. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Noch vor einigen Jahren wäre es möglich gewesen, dass diese Strategie kurzfristig funktioniert. Aber nur kurzfristig. Weil, die Langzeitentwicklung gezeigt hat, dass sich die populistischen Parteien, vor allem rechtsradikale Parteien, erneuern, stärker werden und dann mit diesen Ideen, die dann schon in der Mitte der Politik etabliert sind, viel bessere Aufstiegschancen haben. Langfristig führt das dazu, dass die Populisten noch erfolgreicher sind. Es gibt noch eine dritte Strategie: Widersprechen. Das ist die Strategie, die am meisten Erfolg haben kann.
Wie geht das?
Dagegenhalten und kontern. Die populistischen Parteien sind da und verschwinden nicht so schnell. Deswegen muss sich die etablierte Politik früher oder später mit ihnen auseinandersetzen. Man muss akzeptieren, dass dieser Wettbewerb wichtig ist. Und man dem exklusionären, antipluralistischen Diskurs von populistischen Parteien entgegenwirken muss, indem man kompetente Gegenvorschläge macht. Parteien müssen ihre Kernpositionen vertreten, wie sie das schon immer gemacht haben. Zum Beispiel: Soziale Gerechtigkeit. Da soll es nicht darum gehen, ob zum Beispiel die Mehrheit der Bevölkerung mehr Rechte haben soll als die Minderheiten. Es sollte darum gehen, wie wir soziale Gerechtigkeit für alle schaffen. Sie ist wichtig, unabhängig davon, ob man der Mehrheit der Bevölkerung oder den Mitbürgern mit Migrationshintergrund angehört. Das heißt, man sollte von dieser Ethnisierung der sozialen Gerechtigkeit zurückgehen und sich ganz darauf fokussieren, welche Vorteile für alle daraus entstehen können. Das bedeutet, dass sich unterschiedliche Gruppen nicht gegeneinander ausspielen, sondern es vielmehr als eine gemeinsame Aufgabe darstellen und eine Politik formulieren, die so eine inklusive soziale Gerechtigkeit schafft.
Gibt es dafür Beispiele?
In Kanada kann man die ersten Anzeichen dafür sehen. In Österreich bei der Präsidentschaftswahl war es auch so, dass diese positive Kommunikation dem Rechtspopulistischen entgegengewirkt hat. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es eine liberale Mehrheit gibt. Auch in den USA. Da ist nach wie vor Potenzial, mit liberalen, pluralistischen Ideen Erfolg zu erzielen. Wir merken in einigen Ländern, dass dieses Entgegenwirken gegen Populisten darin bestehen muss, dass wir uns viel stärker in Erinnerung rufen, warum eine liberale Demokratie so wichtig ist. Dass dies ein Wert an sich ist. Man gewöhnt sich schnell daran, dass Demokratie gegeben ist und dass die liberalen Werte ein Teil unseres Alltags sind. Und Teil dieser positiven Nachricht sollte sein, dass die pluralistische Demokratie unseren Fortschritt erlaubt und Chancen schafft. Wir müssen imstande sein, diese Chancen mittels der Politiker für alle in der Gesellschaft durchzusetzen. Das ist eine schwierige Aufgabe. Aber es bleibt uns wenig übrig. Früher oder später müssen sich die etablierten Parteien mit diesen Fragen beschäftigen. Damit könnten Politiker auch viele Wähler überzeugen, dass sie die besseren Antworten haben als die vermeintlichen Lösungen, die Populisten anbieten.
Sind Populisten eine Gefahr für die Demokratie?
Der Antipluralismus ist eine Herausforderung für die Demokratie. Die größte Gefahr ist, dass sie im politischen Wettbewerb anderen ihre Legitimität absprechen. Die Entwicklung in Ländern, in denen populistische Parteien die alleinige Regierungsmacht haben, zeigt, dass dies auch eine Gefahr für demokratische Institutionen sein kann. Politik zu kritisieren, ist nicht das Problematische. Die Art und Weise, wie die Politik kritisiert wird, dass tatsächlich behauptet wird, „es gäbe nur eine Möglichkeit der Veränderung und nur wir haben das Recht, unsere Interessen durchzusetzen“, das ist die Gefahr. Weil das Minderheitenrechte und Minderheiteninteressen infrage stellt. Weil es die Regierungsmacht der demokratischen Kontrolle durch die Opposition und durch andere Interessengruppen aushebelt. Auch im Diskurs führt das zu einer Polarisierung der Gesellschaft. Die „Anderen“ werden, auch im Alltag, als die Feinde gesehen.
Kann Populismus positiv wirken?
Es gibt diese interessante Diskussion tatsächlich. Man sagt zum Beispiel: Populismus ist wie ein betrunkener Gast auf einer Cocktailparty. Er stürmt die Cocktailparty und spricht die unangenehmen Wahrheiten aus, die die hohe Gesellschaft vielleicht nicht gerne hören möchte, sich aber durch diese Kunst- oder Filmfigur nun anhören muss. Populismus wurde auch häufig als ein Signal gesehen. Als Weckruf. Das ist aber problematisch. Ich finde nicht, dass Populismus gut für Demokratie sein kann. Signale, die auf bestimmte Unrechte hinweisen, die kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Von den NGOs, oder aus der Presse. Die Presse ist gerade auch dafür da, solche Missstände zu kommunizieren. Das beinhaltet die Kontrollfunktion der Presse. Populismus ist kein Akteur, der im Vergleich zu anderen Akteuren jenseits der Regierung besonders wichtig wäre. Es hat sich gezeigt, dass Populisten, die an die Macht kommen, die Missstände, auf die sie hingewiesen haben, nicht strategisch beheben, sondern diese noch vertiefen. Die polnische Regierung hat sehr viel mit der Forderung nach einem guten Wandel der Politik gearbeitet. Viele haben ihr in diesem Glauben ihr Vertrauen gegeben. Die Maßnahmen, die jetzt unternommen werden, haben aber keine Anzeichen von einem guten Wandel. Hier ist die Unterscheidung wichtig: Die Regierungen zu kontrollieren, diese herauszufordern, das ist Teil der Politik, Teil eines politischen Wettbewerbs. Und man soll auf Missstände hinweisen. Gleichzeitig kann Populismus als Antipluralismus aber nicht gut sein, weil es dann nur ein Interesse gibt und das ist normalerweise das Interesse der Parteielite. Es wird nur suggeriert, dass dies das Allgemeininteresse sei. Die Interessen anderer Gruppen der Gesellschaft werden ignoriert. Deswegen ist dieses antipluralistische, das illiberale am Populismus immer eine Herausforderung und eine Gefahr für Demokratie.