Erstmals erhalten viele Afrikaner Strom, können damit Kühlschränke, Fernseher und Glühbirnen betreiben. Das Unternehmen Mobisol aus Berlin bietet Solarzellen mit einem Batteriepack an und ermöglicht insbesondere finanzschwachen Käufern durch ein ausgefeiltes Finanzierungsmodell dem Zugang zu günstigem, sauberem Strom.
Das Überspringen einer Energiewende
Saubere Energie von Anfang an
Thomas Gottschalk ist der Gründer der Firmengruppe Mobisol, die Solarmodule und Batterien für die dezentrale Stromerzeugung entwickelt sowie vertreibt. Die Besonderheit der Firma liegt in der Verbindung von positiven Entwicklungen in Afrika in Kombination mit nachhaltigem Wirtschaften.
- Der Kontext: Wie kamen Sie auf die Idee Solarpanele mit Batterien in Afrika anzubieten? Wie begann der Weg von Mobisol?
Thomas Gottschalk: Vor einigen Jahren bin ich mit einem Solartaxi durch die halbe Welt gefahren, ich war in jener Zeit als technische Begleitung für das Projekt eingespannt. Wir haben diverse Gegenden in Subsahara-Afrika durchfahren, in jenen es ab 18 Uhr keinerlei Licht mehr gab. Gleichzeitig gab es dort unendlich viele innovative Geschäftsideen – besonders beeindruckend war für mich die Idee hinter M-Pesa: eine mobile Zahlungsweise, für die es keinerlei Bankkonten mehr geben muss, sondern nur ein Handy und etwas Bargeld. Ich wollte zur Elektrifizierung in Afrika beitragen und gleichzeitig diese Art zu zahlen nutzen, da so viele Menschen auf dem afrikanischen Kontinent noch immer kein eigenes Bankkonto besitzen.
Wie sieht die Versorgung mit Elektrizität in Afrika (Ostafrika) aktuell aus – gibt es Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Räumen? Gibt es regionale Unterschiede? Unterschiede zwischen Ländern?
In der Tat gibt es viele Unterschiede, auch zwischen den drei Märkten, in denen wir unsere Produkte vertreiben (Kenia, Ruanda und Tansania). In Kenia ist die Stromversorgung aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes im Vergleich am weitesten ausgebreitet. In Ruanda gibt es schlichtweg logistische und geografische Herausforderungen – das „Land der tausend Hügel“ macht es nicht einfach für die Politik, ein zentrales Netz auszubauen. In Tansania ist die Bevölkerungsdichte am niedrigsten, so dass diverse Regionen wohl auch in den nächsten fünfzig Jahren das zentrale Stromnetz nicht nutzen werden können, da es sich für die Regierung nicht lohnt dort zu investieren. Insgesamt unterscheiden sich die ländlichen Bereiche in den drei Ländern aber nicht immens, die Städte sind größtenteils gut versorgt, aber wir sehen eine große Nachfrage nach unseren dezentralen Produkten.
Welchen Einfluss auf die Digitalisierung hat der Zugang zu Elektrizität?
Ohne einen verlässlichen Stromzugang wird es wohl keine Digitalisierung geben können. All unsere Kunden – mittlerweile haben wir über 80.000 Haushalte und damit etwa 400.000 Menschen, die in diesen leben, erreicht – haben ein Handy, immer mehr sogar ein Smartphone. Aber bevor sie unsere Solaranlagen nutzen, legen sie bis zu zwei Stunden pro Strecke zurück um ihr Handy im nächsten Kiosk laden zu können. Ursprüngliche Lichtquellen wie Petroleumlampen oder Kerzen bieten keine Energie zum Laden von Telefonen, was den Alltag extrem erschwert. Ein Smartphone ist für viele der Einstieg in das Computer-Zeitalter, einige Schulen in Ostafrika beginnen mit der Nutzung von Tablets für ihre Schüler, aber all dies ist ohne Strom nicht möglich. Elektrifizierung bedingt Digitalisierung und damit auch das Aufschließen an wirtschaftliche Standards und Ausbildungsmöglichkeiten.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf Afrika?
Die Digitalisierung birgt viele Chancen für Afrika. Wir bezeugen gerade den dritten gesellschaftlichen Sprung, der dort vollzogen wird. Festnetztelefone wurden in vielen Gegenden gänzlich übersprungen, dafür kamen Mobiltelefone ins Spiel; daraufhin entstand das bereits erwähnte Mobile Banking und ersetzte zu großen Teilen die Notwendigkeit von Bankkonten und nun ersetzt die dezentrale Stromversorgung das konventionelle Netz. All dies ist durch die Digitalisierung ermöglicht worden und hilft so auch den Klimawandel zu bekämpfen, da in Regionen Afrikas die Entwicklung verspricht, dass keine Energiewende nötig sein wird, sondern dass erneuerbare Energiequellen direkt die erste Lösung sein werden die Zugang zu der breiten Masse findet.
Mit welcher Geschwindigkeit passieren Elektrifizierung und Digitalisierung? Ist absehbar innerhalb welcher Zeitspanne überall Elektrizität und Zugang zum Internet vorhanden sein wird?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Die Zielsetzungen vieler Regierungen und multinationaler Organisationen sind ambitioniert – diverse Länder fokussieren 2020 für eine volle Elektrifizierung ihrer Bevölkerung und befinden sich aktuell noch bei unter 50 Prozent. Die tatsächlichen Errungenschaften werden nicht nur von Firmen wie Mobisol abhängen, die unabhängig von Drittmittelfinanzierung an der Versorgung von Millionen von Haushalten arbeiten, sondern auch von bewusster Investition in effektive Lösungen und Wissensteilung über Ländergrenzen hinweg. Steuermittel werden bewusst eingesetzt und ein intelligenter Mix an Quellen genutzt werden müssen.
Wie sieht das Finanzierungskonzept für die Endkunden aus, was macht dies einzigartig?
Aktuell bietet Mobisol Solaranlagen auf Basis eines Dreijahres-Planes an. Alle Kunden können flexibel und zu jedem Zeitpunkt eine Zahlung per Handy machen. Dies ermöglicht ihnen, ihre Ausgaben an ihre finanzielle Situation anzupassen. Über zwei Drittel unserer Kunden beziehen einen Anteil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft, sodass es für sie meist praktisch ist, ihren Strom zu einem größeren Teil nach der Ernte zu zahlen – und dann direkt drei Monate lang versorgt zu sein.
Welche Auswirkungen hat die Installation eines Solarpanels auf die persönlichen Situationen der Nutzer? Welche mittel- und langfristigen Veränderungen stellen sich ein?
Man kann es sich bei uns heutzutage nur noch selten vorstellen wie es ist, wenn man das erste Mal Licht im eigenen Haus hat. Das erste Mal mit einem Lichtschalter an der Wand und einem hell erleuchteten Wohnzimmer nach Einbruch der Dunkelheit. Vieles stellt sich um, wird erleichtert. Außen am Haus gibt es eine Sicherheitslampe – was auch Einbrecher abhält und somit der Familie ein erhöhtes Gefühl von Schutz bietet. Die Familie kommt abends zusammen und schaut fern, die Kinder können auch nach 18 Uhr ihre Schularbeiten machen. Der schädliche Rauch von Petroleumlampen bleibt aus, die Familie läuft weniger Gefahr an Lungenkrankheiten zu leiden. Die Mutter lädt die Nachbarn und Freunde dazu ein, für einen kleinen Betrag ihre Handys zu laden und der Vater stellt einen Fernseher in die kleine Bar, die er bereits zuvor betrieben hat. Jetzt werden Fußballspiele gezeigt und das halbe Dorf kommt abends vorbei um sie zu sehen. Damit wird zusätzliches Einkommen erwirtschaftet und die Kosten für die Solaranlagen sind bereits früh im Monat gedeckt.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern? Baut Mobisol selbst ein Netzwerk auf oder wird auf vorhandene Strukturen zurück gegriffen?
Zu Beginn hat Mobisol sich in Tansania und Ruanda mit einer eigenen, vertikal integrierten Infrastruktur etabliert. Alle Geschäftsbereiche wurden selbst aufgebaut, sodass wir mittlerweile über 700 festangestellte Mitarbeiter haben und 500 weitere Freelancer auf Kommissionsbasis, die den Vertrieb und den technischen Service übernehmen. Um schneller skalieren zu können und auf lokales Wissen zurückzugreifen haben wir in Kenia ein Joint Venture aufgebaut, bei dem besonders die administrativen Aufgaben von unserem Partner übernommen werden – wir profitieren dabei auch vom rechtlichen Wissen der anderen Partei. Es macht durchaus Sinn in Zukunft vermehrt mit lokalen Partnern zu arbeiten, die sich den Markt bereits erschlossen haben und die einheimischen Institutionen und Gepflogenheiten kennen.
Mit welchen Partnern arbeitet Mobisol, um Finanzierung (vor Ort), Installation und Wartung umzusetzen?
Wie zuvor erwähnt übernehmen wir immer noch sehr viele Aufgaben selbst. Installation und Wartung nehmen die von uns in unserer Akademie ausgebildeten Techniker vor. All unsere Kunden bekommen drei Jahre Garantie auf die zentralen Komponenten der Produkte – in diesen drei Jahren ist ein umfangreiches Dienstleistungspaket gewährleistet, inklusive kostenfreier Hotline und technischer Wartung, Austausch von defekten Komponenten usw. Die Finanzierung der Solaranlagen übernehmen wir aktuell auch noch selbst, hoffen aber auf zukünftige Partnerschaften mit lokalen Banken, die unsere Produkte auch in lokaler Währung vorfinanzieren, sodass das Wechselkursrisiko ausbleibt.
Auf welche Reaktionen stößt Mobisol in den lokalen Gemeinden? Wie spricht sich das Konzept herum?
Die Resonanz ist durchweg positiv. Wenn unser Marketing- und Vertriebspersonal das erste Mal in einem Ort ist, sprechen wir mit den Dorfältesten oder Gemeindeleitern und erklären das Konzept. Sobald die ersten Anlagen verkauft sind, hängt das Geschäftsmodell viel von Mundpropaganda ab. Das beste Verkaufsargument für uns ist es wenn ein Freund oder ein Familienmitglied bereits ein/e zufriedene/r Kunde/in ist. Die Empfehlung zahlt sich für unsere Kunden aus – wir reduzieren daraufhin ihren/seinen Kredit um einen kleinen Anteil.
Vor welchen Herausforderungen steht die Elektrifizierung und die Digitalisierung in Afrika?
Die Risiken beider Entwicklungen überschneiden sich. Sowohl das politische, als auch das finanzielle Risiko werden als sehr hoch empfunden, sodass die Finanzierung für Start-ups und neue Projekte meist zu einem hohen Preis kommt, die Zinsen auf Kredite liegen nicht selten bei rund 20 Prozent. Es braucht mehr Investitionen und Geldgeber, die sich dem Kontinent weiter öffnen und auch die Innovationskraft und das Potential der jungen, aufstrebenden Menschen sehen, die in Subsahara Afrika leben. Es braucht Ausbildungs- und Studiengänge, die sich mit neuen Technologien befassen, sodass Firmen Talente akquirieren können. Gerade bei der Elektrifizierung muss auch der Staat einspringen und finanzielle Ressourcen bereitstellen. Politische Entscheidungen müssen langfristig ausgelegt sein und ein günstiges Umfeld für die Privatwirtschaft geschaffen werden.
Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Mobisol? Wie begegnen Sie diesen?
Auch für uns ist es wichtig, aus einem Pool an gut ausgebildeten Fachkräften schöpfen zu können. 85 Prozent unserer Mitarbeiter kommen aus Ostafrika, viele von ihnen bilden wir in unserer Mobisol Akademie aus, da es noch sehr weniger Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien gibt. Doch auch hier tut sich sehr viel – Universitäten und Berufsschulen nehmen sich dem Thema an und wie zuvor erwähnt werden auch ländliche Schulen bald bessere Gegebenheiten zum Lernen bieten wenn sie einen Zugang zu verlässlichem Strom erhalten.