Kompetenzanerkennung
Ein Lehrer arbeitet am Fließband, eine Zahnärztin im Nagelstudio: Viele Migranten mit hohem und mittlerem Bildungsabschlüssen sind in Deutschland Hilfskräfte, weil ihre beruflichen Kompetenzen noch nicht anerkannt wurden.
Das Problem: Menschen, die nach Deutschland kommen, bringen sehr unterschiedliche Biografien mit. Sie haben oftmals zwar praktische Berufserfahrungen, jedoch keine formal gleichwertigen Abschlüsse wie man sie hierzulande erhält. Zwei Drittel der als Flüchtlinge anerkannten Menschen können keinen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss vorweisen. Oft hakt es an sprachlichen Barrieren oder wichtige Dokumente wurden im Heimatland zurückgelassen.
Um ihre Kompetenzen in Deutschland dennoch anerkennen lassen zu können, müssen Migranten ihre sprachliche, betriebliche und individuelle Leistungsfähigkeit in verschiedenen Tests beweisen. Nur so können sie sich laut Gesetzgeber vollständig in den Arbeitsmarkt integrieren.
Die Anforderungen der Kompetenzfeststellungsverfahren sind jedoch sehr hoch. Auch deshalb üben viele Migranten trotz längerem Aufenthalt in Deutschland überwiegend einfache Berufe und Gelegenheitsjobs aus, sogenannte „nicht reglementierte Berufe”. Bei 65 Prozent der Migranten mit mittlerem und hohem Bildungsniveau liegt auch nach vierjähriger Aufenthaltsdauer die ausgeübte Tätigkeit unterhalb ihrer Kompetenzen.
Das sollte sich durch das Anerkennungsgesetz ändern. Eine Initiative des Bundesbildungsministeriums, die am 1. April 2012 in Kraft trat, wollte die beschriebene Problematik angehen. Auch, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen und die Chance auf ein neues Wirtschaftswunder anzukurbeln. Migranten sollten die Möglichkeit bekommen, schnell wieder in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Dazu prüfen aktuell rund 500 Stellen bundesweit, wie sehr die im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen mit den deutschen Standards übereinstimmen. Beim Start der Initiative sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka: „Die Anerkennung ihrer im Heimatland erworbenen Berufsqualifikationen ist ein wichtiger Schritt in Richtung Arbeitsmarkt und damit zur Teilhabe und Integration in Deutschland.”
Doch das gewünschte Wirtschaftswunder blieb aus. Die Initiative wurde bereits vielfach kritisiert, unter anderem vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR): Bürokratische Hürden seien noch immer zu hoch. Bei den sogenannten Gesundheitsberufen gebe es beispielsweise keine klaren Leitlinien, wie die Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden können. Und auch eine zentrale Stelle fehle, die Migranten mit sogenannten „reglementierten Berufen” wie Ärzte und Pfleger prüft.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung legte 2017 einen Bericht zum Anerkennungsgesetz vor.
Das BAMF bietet eine Hotline für die Erstberatung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse an.